Licht

Blick über Zürich: Die Bauherrschaft befindet sich im Spannungsfeld ständig wachsender Komplexität; Quelle: Basler & Hofmann

27.05.2025
Markus Frutig

Zwischen Goldesel und Magierin

Bauprojekte werden immer komplexer, die Anforderungen steigen – die Bauherrschaft gerät zunehmend in ein Spannungsfeld zwischen Regulierung, Fachdisziplinen und wirtschaftlichem Druck. Tobias Schär von Basler & Hofmann gab am «Swiss Lighting Forum 2025» in Zürich wertvolle Handlungsempfehlungen.

Mehr Disziplinen, mehr Regulierung, mehr Technisierung, mehr Umweltverträglichkeit, mehr Digitalisierung und ständig steigende Ansprüche von allen Seiten: Ist das Bauen heutzutage überhaupt noch möglich? Wie können Ingenieure, Architekten und Lichtplaner die Bauherrschaft in diesem immer undurchdringlicheren Dschungel von Richtlinien, Normen und Vorgaben zielführend und kostenoptimiert unterstützen? Tobias Schär, der erfahrene Leiter Bauentwicklung bei Basler & Hofmann, nahm sich dieser konkreten Fragen an. Anlässlich seines Fachreferats beim von Electrosuisse und SLG organisierten Fachevent im Zürcher Technopark beleuchtete er mit einem differenzierten Blick die Herausforderungen mit konkreten, einfachen und in der Praxis erprobten Handlungsempfehlungen sowie Fallbeispielen, um sich im Vorfeld besser für immer komplexere Bauprojekte wappnen zu können.

 

Die Bauherrschaft im Wandel: zwischen Goldesel und Magierin

Die Bauherrschaft sieht sich heute mit einer Vielzahl an Herausforderungen konfrontiert: Strengere Normen, ein immer spezialisierteres Planungsteam und teils widersprüchliche behördliche Anforderungen erschweren die Umsetzung von Bauprojekten. Tobias Schär beschreibt diese Entwicklung provokant und es soll eindeutig überspitzt sein: «Die Bauherrschaft ist heute oft Goldesel und Magierin zugleich: Einerseits muss sie unbegrenzt Mittel bereitstellen, andererseits wird von ihr erwartet, Unmögliches möglich zu machen.» In diesem Zusammenhang ging er detailliert auf einige im Unternehmen realisierte Projekte ein.

 

Wachsende Komplexität und ihre Ursachen

Der Bauprozess war schon immer anspruchsvoll, doch die Zahl der involvierten Disziplinen steigt rapide. Tobias Schär beschrieb dies anhand eines aktuellen Schulbauprojekts: «Wir haben hier zehn Fachplanungsdisziplinen und 19 Spezialdisziplinen. Wer koordiniert all diese Beteiligten? Wer trägt letztlich die Verantwortung?» Die wachsende Spezialisierung führt zu einer immer kleinteiligeren Arbeitsteilung, die den Abstimmungsaufwand drastisch erhöht.

Gleichzeitig nimmt die Regulierungsdichte zu. Zwischen 1995 und 2015 ist beispielsweise allein das Bundesrecht von 40 000 auf 70 000 Seiten angewachsen. Diese Tendenz hat sich gefühlt in allen Rechtsbereichen und bis heute bestätigt. Mit jeder neuen Norm steigen die Anforderungen an die Planungsteams und die Bauherrschaft. «Die Frage ist», so Schär, «wie wir unter diesen Bedingungen überhaupt noch bauen können.»

 

Lichtplanung als Teil der Gesamtstrategie

Ein Beispiel für die steigende Spezialisierung ist die Lichtplanung. Während diese früher oft von Elektroplanern mitbearbeitet wurde, ist sie heute eine eigenständige Disziplin – mit hochkomplexen Anforderungen und SIA-Normen, die auch ein studierter Architekt nicht mehr im Griff hat, wie die SLG aus Erfahrung weiss. Demnach sind – Anmerkung des Autors – die SLG-Lichtplaner-Weiterbildungen wertvoll im gesamten Bauprojekt mit Beleuchtungsanforderungen. 1995 gab es vier Fach-planungsbereiche (SIA102 bis 108) und nur wenige Spezialisten. Als junger Architekt hat Schär noch selber Baugruben-, Werkleitungs- und Brandschutzpläne gezeichnet. 2025 zählte er in drei laufenden Projekten bereits 31 Spezialbereiche – von BIM-Management bis Signaletik, um nur einige aus dem Vortrag von Tobias Schär zu zitieren. Diese Vielzahl an Fachdisziplinen müssen durch die Bauherrschaft beauftragt und die einzelnen Leistungsumfänge definiert werden, die für eine erfolgreiche Planung des Projekts erforderlich sind. Zudem sind alle Leistungen der Bauherren inzwischen SIA-normiert. Woher nimmt die Bauherrschaft dieses Wissen?

Schär zeigte diese Komplexität und ihren Mehrwert anhand eines aktuellen Bauprojekts zum Ersatzneubau der Schulanlage Birchlen in Dübendorf (ZH) auf: «Der Architekt wollte zusätzlich einen Lichtplaner beiziehen. Da stellte sich die Frage: Warum? Was bringt das zusätzlich? Wir haben dann festgestellt, dass eine gezielte Lichtplanung nicht nur die Architektur und Atmosphäre verbessert, sondern auch Energieeffizienz und Betriebskosten optimieren kann.» Folglich sind auch die Disziplinen immer stärker miteinander verknüpft und relevant für den langfristigen Gesamterfolg eines Bauprojekts – und damit für das Ansehen eines GUs oder Planungsbüros.

 

Die grössten Herausforderungen für Bauherren

Die Vielzahl an oft widersprüchlichen Anforderungen stellt die grösste Herausforderung für Bauherren dar. Ein weiteres Beispiel war die Erweiterung der Wohnsiedlung Brunnenhof (ZH): Eine Bauherrschaft wollte eine PV-Fassade errichten, wurde jedoch gleichzeitig von der Bewilligungsbehörde verpflichtet, grosskronige Bäume davor zu pflanzen. Für das Hochhaus wurde eine minimale PV-Anlage verlangt, obwohl die Dachfläche für die geforderte Anlage dazu nicht ausreichte. Oder es wird eine Fassadenbegrünung verlangt, obwohl der Brandschutz für die Fassade Nichtbrennbarkeit voraussetzt.

Schär kritisierte, dass es derzeit keine Interessenabwägung zwischen den verschiedenen Anforderungen gibt: «Jede Behörde formuliert ihre Auflagen für sich, ohne zu berücksichtigen, dass diese in der Summe nicht umsetzbar sind. Das Auflösen dieser Konflikte wird der Bauherrschaft überlassen.» Kommt es infolgedessen zu unnötigen Bauverzögerungen oder gar Planungsfehlern, ist das nachvollziehbar.

 

Handlungsempfehlungen für Planer und Ingenieure

Wie können Fachplaner, Architekten und Lichtplaner die Bauherrschaft in diesem immer grösser werdenden Spannungsfeld konkret unterstützen? Schär formulierte die folgenden fünf Empfehlungen, um auch beim Auftraggeber positiv aufzufallen:

 

1.  Gesamtzusammenhänge verstehen: «Denken Sie nicht nur in Ihrer eigenen Fachdisziplin, sondern im Kontext der Gesamtplanung.»

2.  Nicht nur Anforderungen stellen, sondern auch Lösungen aufzeigen: «Die Bauherrschaft ist auf Ihr Fachwissen angewiesen. Zeigen Sie Alternativen und Konsequenzen auf.»

3.  Komplexität reduzieren: «Jeder Spezialist möchte zusätzliche Anforderungen einbringen, doch das summiert sich. Arbeiten Sie mit den anderen Fachdisziplinen an integrativen Lösungen.»

4.  Verständliche Sprache verwenden: «Nicht jede Bauherrschaft ist eine professionelle Immobilienverwaltung. Vermeiden Sie Fachjargon, der nicht verstanden wird.»

5.  Mehrwerte kommunizieren: «Machen Sie sichtbar, welchen Mehrwert Ihre Leistungen bieten, damit sie nicht nur als zusätzliche Kosten wahrgenommen werden.»

 

Fazit

Die Rolle der Bauherrschaft hat sich grundlegend gewandelt und es gibt kein Zurück. Insbesondere die Erwartungen an die Lichtplanung werden immer höher, denn sie soll «Gebäude ins rechte Licht rücken – sie also sicherer und nachhaltiger machen, dazu nutzergerecht sein», betonte Schär. Zwischen dem wirtschaftlichen Druck, ständig neu hinzukommenden Normen und der steigenden Komplexität entwickelt sich die Bauherrschaft demnach zum zentralen Koordinator von divergierenden Interessen. Um sie dabei zu unterstützen, «sind Fachplaner, Lichtplaner und Ingenieure gefordert, integrative und pragmatische Lösungen zu entwickeln», riet Schär. Denn nur wenn das Zusammenspiel aller Beteiligten gelingt, können Bauprojekte auch zukünftig erfolgreich umgesetzt werden. 


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